Pride 2022 – Wie progressiv ist Lichtenberg?

Am 08. Juli 2022 wurde in Lichtenberg die “Pride Flag” sowie die “Progress Pride Flag” gehisst. Am 23. Juli 2022 fand der CSD in Berlin statt – die Pride Season ist in vollem Gange. Doch wie fortschrittlich sind wir eigentlich und wo gibt es noch viel zu tun?

Zu diesen und weiteren Fragen habe ich, Lisa-Marie Sager (Sprecherin für Gleichstellung und intersektionalen Feminismus) ein Interview mit Jens Mehrtens, dem Vorsitzenden der AG SPD Queer Lichtenberg, geführt:

Lisa: „Hallo Jens, die Pride Saison ist im Juli bei uns gestartet, erst kürzlich fand der CSD statt und mehrere hunderttausend Menschen waren auf den Straßen um zu feiern, aber auch zu demonstrieren, denn während der Pride stehen auch immer wichtige und ernste Forderungen im Mittelpunkt – welche sind dieses Jahr besonders im Fokus?“

Jens: “Die SPD Banner auf dem CSD haben die aktuellen Forderungen schon sehr gut auf den Punkt gebracht. Der Schutz queerer Menschen vor Übergriffen ist immer noch ein großes Thema, der Anschlag in Oslo hat das leider erneut zu deutlich gemacht. Aber auch staatliche Repressalien sind noch nicht überwunden, wie die Verhaftungen auf dem Istanbul Pride und verbotene CSDs weltweit zeigen. In 69 Staaten wird Homosexualität noch strafrechtlich verfolgt, in 11 Ländern droht sogar die Todesstrafe. Der Krieg in der Ukraine beschäftigt natürlich auch uns. Das Selbstbestimmungsgesetz wurde heiß diskutiert und wird kommen.”

Lisa: „Es gibt immer noch viel zu viel Intoleranz, Hass und Angriffe gegen die LGBTQI+ Community, du hast zum Beispiel den Anschlag auf der Pride in Oslo angesprochen, aber auch Übergriffe nach den CSD Paraden sind leider keine Seltenheit. Hast du ein Statement dazu für uns?“
 
Jens: „Den Angehörigen der Opfer und den Verletzten in Oslo gilt unsere große Anteilnahme. Es macht mich fassungs- und hinterlässt mich sprachlos mit welchem Hass auf Minderheiten reagiert wird, die nur ihre Menschenrechte einfordern oder einfach friedlich feiern wollen. Die Anschläge wie in Oslo und Orlando gehen groß durch die Presse, Übergriffe am Rande des CSDs sind immerhin auch noch einer Meldung wert, doch wird bei uns in Lichtenberg ein queerer Mensch zusammengeschlagen, interessiert das anscheinend kaum mehr. In der Statistik von Maneo zur Feststellung anti-schwuler Gewalttaten bzw. vorurteilsmotivierter Gewalt gegen Schwule sind im Bezirk Lichtenberg 0 Taten verzeichnet. Das liegt allerdings nicht daran, dass es diese Übergriffe nicht gibt, sondern daran, dass hier weggeschaut wird. Maneo war letztes Jahr auf Initiative des Senats mit einem Projekt bzgl. Gewaltprävention, Überfalltelefon und Opferhilfe in Wartenberg. Die Finanzierung endete und damit nach nur 3 Monaten das Projekt. Die Fortführung hätte den Bezirk 6.500.- € gekostet. Offensichtlich fürs genauer hinschauen zu viel.“

Lisa: “Oft liest und hört man den Satz „Pride started as a riot“. Als queerpolitisch aktive Menschen ist vielen von uns das natürlich ein Begriff, jedoch ist dies nicht selbstverständlich – kannst du kurz erklären, was damit gemeint ist?”

Jens: “In New York haben sich 1969 homosexuelle und transsexuelle Menschen gegen eine Razzia in der Bar Stonewall Inn in Greenwich Village gewehrt. Erstmals widersetzte sich damals in der
Christopher Street eine große Gruppe gegen die Verhaftung durch die Polizei. In der queeren
Community wird dies als Wendepunkt im Kampf für Gleichbehandlung und Anerkennung angesehen. Weltweit wird daher, wo es möglich ist, der Christopher Street Day gefeiert.“

Lisa: “Lieber Jens, ich danke dir für das Interview – möchtest du zum Abschluss noch mitgeben, was du dir für die kommenden 5 Jahre politisch wünschst?”
 
Jens: „Der Krieg in der Ukraine ist ein großes Unrecht. Ich hoffe, dass er bald beendet wird und die Ukraine als souveräner Staat weiter existieren kann.  Für Lichtenberg wünsche ich mir, dass wir anfangen, eine queere Infrastruktur aufzubauen. Die Arbeit von LesLeFam e.V. ist großartig und ich schätze sie sehr, aber es gibt eben aktuell auch nur diese eine Initiative. Bei 300.000 Einwohner*innen gibt es einfach nichts für Schwule, Bisexuelle, Transidente, queere Jugendliche, queere Senioren? Wir sollten als SPD jetzt Druck machen den Bezirk auch für queere Menschen lebenswert zu machen.“

Wer nun mehr über queerpolitische Themen bei uns in Lichtenberg erfahren möchte, kann sich bald ein ausführlicheres Interview mit Jens und mir als Video auf den Social Media Kanälen der SPD-Fraktion ansehen.

Lisa-Marie Sager